Die ersten drei Wochen mit dem CI – erste Höreindrücke nach 48 Jahren Taubheit von Marion

16.11.2012

Heute ist es endlich soweit. Genau 48 Jahre, nachdem ich rechts mein Gehör verloren habe, habe ich heute den Sprachprozessor angepasst bekommen.

Zuerst tat sich gar nichts, dann war da eher ein Ton links und dann habe ich ihn rechts gehört. Damit wurde aber nur die Lautstärke festgelegt, die ich erst einmal ertragen kann.

Am komischsten ist das Gefühl im Kopf: wattig, leicht schwindelig, kribbelig, kaum richtig zu beschreiben.

In der Klinik, bei Frau Tekampe, habe ich definitiv drei Geräusche auseinandergehalten: Kugelschreiberklicken, Schlagen auf den Tisch und das dritte weiß ich schon nicht mehr. Etwas enttäuscht war ich schon, dass ich bei einem späteren Versuch die Musikinstrumente nicht gehört habe.

Im Moment kommt alles noch mehr als Impulse an. Sprache pulsiert, auch Geräusche, im richtigen Rhythmus. Ich denke, das ist schon ganz schön viel.

Total nervig ist ein hoher Tinnituston auf der anderen Seite. Er ist immer da, sogar noch lauter, wenn ich den Magneten wegnehme. Auch pulsiert er mit. Oder höre ich ihn doch rechts, bin nur noch immer so auf links programmiert. Aber für mich ist er eindeutig links und könnte gerne verschwinden

Jetzt werde ich mich auf Hörsuche begeben, auch wenn noch nicht wirklich viel da oben bei mir ankommt. Aber alles ist mehr als vorher.

Abends

Ich fühle mich total bematscht. Mein Kopf ist ein Bienenstock, es brummt und pfeift, aber wirklich Töne kommen noch nicht an. Alles ist nur ein pulsieren. Ich hoffe, das wird besser. Dass das alles so anstrengend ist, hätte ich nicht gedacht. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir für den Anfang schon ein bisschen mehr versprochen. Mal sehen, wie es morgen ist.

17.11.2012

Geduld ist jetzt das, was ich wirklich brauche. Ich wusste es ja vorher, aber dass es mir so schwer fällt, hätte ich doch nicht gedacht. Man macht sich ja doch Hoffnungen. Also heißt es jetzt wirklich erst einmal lernen. Ich bin kein Hörbaby, sondern ein Hörbaby im Mutterleib. Im Moment kommt alles nur als Impulse an und ganz selten als Geräusch. Der Tinnitus ist auch kein Tinnitus, sondern ist immer da, wenn das Gerät an  ist, schlimmer, wenn ich mein Hörgerät ausschalte, verstärkt sich noch einmal, wenn ich den Sprachprozessor abnehme und verschwindet dann nach 1 - 2 Minuten. Einfach nur lästig.

Aber nun denken wir mal wieder positiv. Es kommt was an, wenn auch nur als Impulse und das ist immerhin etwas. Außerdem ist der Sprachprozessor im Moment auf einem sehr niedrigen Level eingestellt, um den Hörnerv nicht zu überreizen. Ich habe jetzt drei Programme, von denen ich langsam auf das nächst stärkere umschalten soll.

Hörtraining ist auch noch in weiter Ferne. Da muss ich ganz unten anfangen. Auf einer Kinderseite von Med El, einem anderen Anbieter, wird ein Training mit "Old Mac Donald has a Farm" angeboten. Bin ich hörtechnisch zu jung zu, denn ich kann ja nicht hören, "has a dog" um auf "dog" zu drücken. Ich brauche das "wuff, wuff"  und das Bild "dog" und ob ich im Moment schon das Wuff höre, bezweifle ich. Das beschreibt so in etwa, wo ich stehe.
Jetzt werde ich vertaubt die Spülmaschine ausräumen, mal sehen, ob irgendetwas ankommt.

Selbstversuch beendet.

Also: Jedes Geräusch fühlt sich anders an. Schritte nehme ich dumpf wahr, das Kratschen von Geschirr über den Spülmaschinenkorb einigermaßen deutlich, ebenso Geschirrklimpern und das Rauschen des Wasserhahns in der Küche. Aber alles ganz, ganz leise. Mal sehen, wie es weiter geht.


( Programm 2) Heute Nachmittag konnte ich den Gartenschredder bei völliger Vertaubung links wahrnehmen. Bei jedem Schredderstoß kamen Impulse an, egal, wo ich mich im Garten aufgehalten habe.

Ein anderes Experiment hat auch gut geklappt. Ich habe beim Spiderspielen den Ton angemacht und konnte das Kartengeben von der Meldung, es kann noch etwas gelegt werden oder nicht gelegt werden unterscheiden. So erhält das Spielen wenigstens noch einen Sinn.

18.11.2012

Das nervige Geräusch ist nach wie vor da.

Impulse kommen stark an, vor allem sprechen. Bei Sprache, ob von mir oder anderen habe ich das Gefühl, man tanzt in meinem Gehirn.

Vorhin haben wir in der Küche einen Versuch gestartet. Wassserhahn rauschen nehme ich deutlich wahr, Geschirrklappern, Besteckklappern und Dunstabzugshaube kommen als ganz leise Geräusche an. Am deutlichsten war das Schiebegeräusch eines gläsernen Deofläschchens über die Arbeitsplatte. Gläserklirren, Alufolierascheln nehme ich nur als Impulse wahr.

20.11

Heute war Schule sehr anstrengend. In der folgenden Teamsitzung musste ich das CI erst einmal wegnehmen, weil ich gar nichts mehr verstand. Nach einer Stunde ging es wieder mit CI auf

Stufe 1.

Ob ich das Wasserrauschen wirklich höre, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da ich es auch auf dem verstöpselten Ohr wahrnehme.

21.11.

Heute ein totales Erfolgserlebnis: Nach der Schule habe ich mich total platt auf die Couch gelegt, Hörgerät raus, CI angelassen, auf die linke Seite gelegt und eingeschlafen. Irgendwann werde ich wach und denke, mit wem quatscht Peter denn da? Immer Plopp, Plopp im Ohr. Ich stehe also auf, gehe ins Esszimmer und frage, wer denn gerade angerufen habe. Er sieht mich an, als wenn ich spinne und sagt, dass er sich im Computer einen Bericht über das Theater Hagen angehört hat. Wie ich denn das gehört haben könne, ich hätte doch geschlafen. Also hat mich mein CI - Ohr das erste mal geweckt .

23.11

Heute war der zweite Einstellungstermin.

Frau Tekampe hat über Audiokabel ( und da kann das andere Ohr nicht mithören ) alle 22 Elektroden noch einmal durch getestet. Ich habe alle wahrgenommen (noch nicht als klare Töne) und konnte genau sagen, ob sie zu lauter oder zu leiser waren, wenn sie zwei nacheinander eingegeben hat.

Dann hat sie mit dem Keyboard unterschiedlich hohe Töne angeschlagen und ich konnte jedes mal sagen, ob sie höher oder tiefer und kurz oder lang waren. Das natürlich mit verstöpseltem Ohr. Ich denke, ich habe da links wirklich nichts mehr gehört.

Heute hat sie insgesamt lauter gestellt, aber es natürlich immer noch ziemlich leise, nur alles viel höher und dadurch auch unangenehmer. Da muss ich mich wieder dran gewöhnen.

Das Problem mit dem schlechteren Hören und Verstehen des anderen Ohres hat sie mir so erklärt. Meine beiden Gehirnhälften koordinieren noch nicht, ich habe also den Effekt, dass ich auf beiden Seiten etwas Unterschiedliches höre und die "gut" hörende Seite nur noch die Hälfte hört.
Man kann sich das so vorstellen, als wenn man auf einem Ohr einen Kopfhörer
mit Musik hat und mit der anderen Seite hören will. Erst wenn man auch den
andren Kopfhörer abnimmst, kann man wieder normal hören. Für mich ist das in der Schule ganz schön blöd, denn ich würde sagen, dass ich gefühlte 20dB weniger höre mit CI. Aber da muss ich wohl durch.

Sie meint auch, dass ich den Tinnitus wohl links höre, weil ich da so drauf konzentriert war, er aber eher von rechts produziert wird.

Nach der Anpassung war ich im Bürgeramt und da war das Hören total unangenehm. Alles schrill, laut, undeutlich. Da die Dame vom Amt auch noch sehr leise gesprochen hat, musste ich das CI herausnehmen.

Dann hier zu Hause ein totales Erfolgserlebnis: Ich hatte mein Ohr verstöpselt und war völlig irritiert von einem durchdringenden Geräusch: Das Telefon klingelte!

Wenn Peter mir Worte vorspricht, kann ich genau sagen, wieviel Silben sie haben.

Es geht also wirklich voran!!!

Marion Hölterhoff

Die CI- Selbsthilfegruppe Hagen

Die Hörschnecken (CI SHG Hagen und Umgebung)

Wenn Sie

  • Informationen rund um das CI haben wollen ( das CI ist eine Innenohrprothese für hochgradig schwerhörige und gehörlose Kinder und Erwachsene),
  • CI – Träger sind,
  • überlegen, ob für Sie ein CI in Frage kommt, aber dazu 1000 Fragen haben,
  • Probleme mit dem Hören haben,
  • sich einfach mal mit Betroffenen austauschen wollen,
  • mit anderen Ihre Freude über das neue Hören teilen wollen,
  • erfahren wollen, dass auch andere die gleichen Sorgen und Probleme haben,
  • in lockerer Atmosphäre sich alle Sorgen und Fragen zum CI von der Seele reden wollen,
  • ihre Angehörigen Sie begleiten und unterstützen wollen,

dann sind Sie bei uns genau richtig.

Kontakt:

Leitung: Marion Hölterhoff ,  Tel. 02374752186
Stellvertretung: Dieter Fraune, Tel. 02333/89126
E-Mail: ci-shg-hagen@civ-nrw.de   

Die Gruppe ist Mitglied im CIV-NRW e.V. - www.civ-nrw.de
CIV NRW Logo grün 300

Die CI- Selbsthilfegruppe bietet Informationen für Schwerhörige, CI Träger, Angehörige und Interessierte.,
© CI- SHG Hagen - Alle rechte vorbehalten. Design by PeGAH * Powered by CMMTV - www.cmmtv.com

Jetzt online

Aktuell sind 632 Gäste und keine Mitglieder online

Wir benutzen Cookies
Bitte beachten Sie, dass einzelne Funktionen unserer Website möglicherweise nicht funktionieren, wenn Sie die Verwendung von Cookies deaktiviert haben.